Lieber Andreas Maluga,

 

Deine Mitteilung über die Gründung eines „DDR-Kabinetts Bochum e.V.“ hat mich sehr gefreut. Ich wünsche Euch Erfolg dabei, aus der Geschichte für die heutigen Kämpfe zu lernen. Leider wird in der Bundesrepublik die Geschichte der DDR nicht so dargestellt, wie sie war. Sie wird benutzt, um den Sozialismus zu diskreditieren und von den Gebrechen des Kapitalismus abzulenken.

     Die DDR entstand im Ergebnis des von Nazi-Deutschland verursachten Zweiten Weltkrieges. Sie war - wie auch die Bundesrepublik – ein Kind des Kalten Krieges, der zwischen den westlichen Alliierten einerseits und der Sowjetunion anderseits schon 1946 begann. Nachdem am 24. Mai 1948 die Bundesrepublik Deutschland gegründet worden war, konstituierte sich die DDR erst am 7. Oktober 1949. Es ist also nicht wahr - wie häufig behauptet wird - dass die DDR Deutschland gespalten hat. Deutschland war schon gespalten, als die DDR gegründet wurde. Die DDR ging davon aus, dass die deutsche Spaltung überwunden werden kann. So nannte sich das erste DDR-Parlament „Provisorische Volkskammer“ und die erste DDR-Regierung „Provisorische Regierung“. Im Text der DDR-Nationalhymne hieß es: „Lasst uns Dir zum Guten dienen, Deutschland, einig Vaterland“. Der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Konrad Adenauer hatte das Motto: „Lieber das halbe Deutschland ganz, als das ganze Deutschland halb“, während der DDR-Politiker Walter Ulbricht forderte: „Deutsche, an einen Tisch!“ Die Regierung der Bundesrepublik ging jedoch den Weg der Integration in das westliche Militärbündnis. Die Sowjetunion unternahm 1952 noch einmal einen Versuch, die deutsche Spaltung zu überwinden. In der sogenannten Stalinnote vom 10. März 1952 schlug sie den Westmächten Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands vor. Die DDR war damit einverstanden.
Die Westmächte und die Bundesregierung lehnten den sowjetischen Vorschlag jedoch ab. Das war ein verhängnisvoller Fehler, der die Spaltung Deutschlands vertiefte. 1955 wurde die Bundesrepublik Mitglied der NATO. Die Antwort der Sowjetunion und ihrer Verbündeten war die Gründung des Warschauer Vertrages. Die DDR wurde Mitglied. Sie machte jedoch den Vorbehalt, dass das vereinigte Deutschland „von allen Verpflichtungen befreit wird, die die DDR vor der Wiedervereinigung in den betreffenden militärisch – politischen Verträgen eingegangen ist“. Dennoch entwickelten sich von nun an beide deutsche Staaten diametral entgegengesetzt. Letztlich führte dies zu den Maßnahmen vom 13. August 1961. Die DDR hatte bis dahin bei offenen Grenzen existiert, was ihr einen ökonomischen Schaden von über 100 Milliarden DM (nach damaligen Preisen gerechnet) einbrachte. Diese Nachkriegsentwicklung wird heutzutage leider aus der aktuellen Diskussion über die DDR ausgeblendet. Der DDR werden alle Übel des Kalten Krieges zugeschrieben. Das ist nicht nur politisch und moralisch fragwürdig. Es ist vor allem geschichtlich falsch. Solange es keine ehrliche Aufarbeitung der Geschichte beider deutscher Staaten im Kontext des Kalten Krieges gibt, solange kann man von keiner fundierten und wissenschaftlichen Aufarbeitung der DDR-Geschichte sprechen. Die DDR gehört nicht mit der faschistischen Diktatur verglichen, sondern mit dem deutschen Staat, der zeitgleich mit ihr existierte. Ein solcher Vergleich wird die Vor- und Nachteile beider deutscher Staaten ins Verhältnis setzen. Dabei wird sich zeigen, dass die DDR versuchte, aus den zwei Weltkriegen, die von Deutschland ausgegangen waren und durch deutsche Schuld 80 Millionen Opfer zählte, die geschichtliche Lehre zu ziehen, dass nie wieder von deutschem Boden Krieg ausgehen darf. Angesichts der aktuellen Diskussion über Afghanistan wird deutlich, dass die DDR der einzige deutsche Staat war, der nie einen Krieg geführt hat. Ich vergesse keineswegs, dass die Entwicklung der DDR auch mit geschichtlichen Irrtümern, politischen und ökonomischen Fehlentscheidungen und leider auch mit Unrecht verbunden war. Ich habe dies auch in meinen Büchern „HERBST89“ und „Gefängnisnotizen“ benannt. All dies darf jedoch nicht losgelöst von der weltpolitischen Entwicklung gesehen werden. Die DDR ist nicht nur an sich selbst gescheitert. Sie ist als Teil eines Sozialismusmodells untergegangen, das vom Stillen Ozean bis an die Elbe und Werra reichte. Hinzu kommt: Aber auch die Bundesrepublik ist nicht ohne Fehl und Tadel. Mit Schlagworten wie „Unrechtsstaat“ oder „zweite deutsche Diktatur“ wird man den historischen Platz der DDR nicht bestimmen können. Bei allen Fehlentwicklungen – die DDR hat in 40 Jahren bewiesen: Es gibt Alternativen zum Kapitalismus – auch auf deutschem Boden.

 

      Ich wünsche dem „DDR-Kabinett Bochum e.V.“ viel Erfolg!

 

      In solidarischer Verbundenheit!

 

      Egon Krenz

 

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