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Euer Museum und die Idee, einen Teil der Geschichte der Nachwelt zugänglich zu machen, finde ich gut und in Ordnung! Viel Erfolg dabei!
Wenn ich mir die Linkliste anschaue, hier einige Beiträge lese, die u.a. mit "Rot Front" enden, komme ich arg ins Grübeln! Es war nicht Alles schlecht in der DDR, aber auch nicht Alles so gut, wie es
einige sehr gern hätten!
Ich habe die Sippenhaftung, Studien- und Berufsverbot in der DDR mit erlebt, am eigenen Leib, in der eigenen Familie. Die verlorenen Träume meiner Jugend gibt mir niemand zurück! Sie sind weg und
wurden mir von einem in bestimmten Dingen Unrechts-Staat genommen! Ich durfte nur unter großen Schwierigkeiten mein Abi machen, weil mein Vater und meine Mutter sich reinknieten und zufällig Jemanden
kannten, der wiederum u.s.w., Vitamin B nennt man das Heute auch noch. Der Einfluss der Bekannten meiner Eltern war aber leider begrenzt, so dass ich meinen Traumberuf (von klein auf wollte ich
Journalist oder Architekt werden, hatte Schreib- und Erzählwettbewerbe en masse gewonnen, Zeichnungen %26 Skizzen phantasievoll wie kaum ein Zweiter...) nicht ergreifen durfte.
Warum? Sippenhaftung in der DDR - verschwiegen, Heute nicht mehr nachweisbar, uninteressant für Alle nicht Beteiligten.
Was war passiert? Mein 10 Jahre älterer Bruder wollte mit zarten 18 Jahren (ich war also ein 8-jähriges Kind!) nach der erfolgreich abgeschlossenen Lehre nicht mehr in dem System DDR leben und
arbeiten. Eine "falsche" Freundin hier, ein falscher Freund mit West-Berliner Verwandschaft dort und fertig waren Flucht-Träume. Ja, Republikflucht war in der DDR verboten, sogar der Versuch, sogar
der Gedanke! Soweit okay und darüber will ich auch nicht debattieren! Meine Keule fuhr ein, nicht nach Bautzen oder so, nein, er wurde wegen relativ unbedeutender Dinge (ja, sie hatten aufgehört zu
arbeiten, wollten ja weg), die in der DDR zusammengefasst "asoziales Verhalten außerhalb der sozialistischen Werte" u.s.w. o.ä. hießen verurteilt, verurteilt zu sagenhaften 6 (in Worten SECHS!!!)
Jahren Haft, nicht politisch angehaucht, man hatte ja einen "Nebenkriegs-Schauplatz" gesucht und (leider!) gefunden. Er hatte im Knast einen Ausreiseantrag gestellt und seine Haftbedingungen dadurch
nicht gerade erleichtert. Er durfte 1 Brief pro Monat schreiben. Nebenbei gab es Besuchsverbot für den kleinen Bruder. Ich habe in den 6 Jahren 3 Briefe erhalten, teils geschwärzt, habe sie heute
noch. Meine Eltern erhielten immer wieder Besuch von den Organen, um sie zur Unterstützung zu bewegen, meinem Bruder den Ausreiseantrag auszureden. Besonders meine Mutter wurde unter Druck gesetzt:
Hilfe zur Rücknahme des Antrages und sie dürfen 2 Päckchen im Monat schicken, er darf 2 Briefe schreiben, sie darf ihren Sohn 2 mal pro Quartal (oder Halbjahr) besuchen. Na klar hat sie es versucht,
aber von ihm ein nein erhalten.
Am Kindertag (1.6.) wurde er entlassen, mein großer Bruder, den ich gar nicht kannte, der sich mit seinen 24 Jahren mit mir 14-Jährigen ein Zimmer teilen musste, weil er keine Wohnung bekam,
Berlin-Verbot hatte, einen PM12 mit Meldepflicht, obwohl die Haftstrafe voll und ganz verbüßt wurde! Klar, wusste ich das als 14-jähriger Junge nicht, erfuhr Vieles erst später und zufällig, weil
meine Eltern und mein Bruder meinten, mich schützen zu müssen und mit nicht die ganze Wahrheit erzählten. Er hatte immer noch seinen Ausreiseantrag laufen. Dann kam der Deal des Jahres: Wohnung gegen
Antrag-Rücknahme. Es passte gerade gut rein: Er hatte die Frau seines Lebens kennen gelernt und wollte wegen ihr sowieso nicht weg, also Antrag zurück und Wohnung erhalten, sogar die Wunsch-Wohnung
(Jeder DDR-Bürger weiß, dass ein Fünfer im Lotto fast wahrscheinlicher war oder ist). Berlin-Verbot aufgehoben, PM12 gegen richtigen Ausweis getauscht, keine wöchentliche Meldung mehr. Alles schien
gut zu laufen, bis auf die Job-Geschichte: Seinen erlernten Beruf durfte er nicht mehr ausüben, da dieser mit EDV zu tun hatte.
Nun meine Geschichte: Nicht ganz parallel, weil nach der Entlassung meines Bruders, ja in Teilstücken sogar erst nach Antrags-Rücknahme beginnend. 1.-8.Klasse guter Schüler, also ab auf die EOS
(erweiterte Oberschule 9.12.Klasse und Abitur als Abschluss). 9. und 10.Klasse soweit okay. Ich war kein Widerstandskämpfer gegen die DDR, aber auch kein Vorzeige-FDJler, Alles so wie viele
DDR-Bürger der Pflicht genügend und damit gut. Unser Schulessen war grausig, was ich als wortgewandter Schüler und Künstler (Musiker) im Qualitäts-Pass, der im Essenraum auslag, in Prosa
niederschrieb, mehrmals. Das war der Aufhänger für einen gut 2 Jahre währenden Spießrutenlauf an der EOS, wie gesagt, der Aufhänger, der Auslöser, NICHT der Grund! Gut 10 Jahre nach dem Abi
(inzwischen gab es die DDR nicht mehr) habe ich erfahren, dass es eine Anweisung gab, mir Steine in den Weg zu legen. Warum? Weiß Heute keine Mensch mehr, Anweisung kam von der Parteileitung oder so.
Der Grund? Die Ausreise-Gedanken meines großen Bruders, die inzwischen Jahre zurück lagen. Meinen Studienwunsch Jounalistik hätte ich nur in Leipzig an der Karl-Marx-Universität erfüllen können. Die
Plätze waren sehr begrenzt, Kinder aus "Arbeiter"familien wurden den Lindern aus "Intelligenz"familien vorgezogen. Ich gehörte zur 2.Kategorie, da meine Mutter Lehrerin und mein Vater Bauingenieur
war. Mir wurde anfangs nahe gelegt, die EOS zu verlassen und eine Ausbildung zu absolvieren. Widerstand unsererseits wurde dann im Rahmen eines Wutausbruches des damaligen Dirketors Genossen S. mit
der Aussage "Ich sorge dafür, dass Ihr Sohn in der DDR kein Abitur macht!" aufs Schäfste gekontert. Mein Vater wie war stur wie ein Panzer, meine Mutter eher die Diplomatin und sie setzte ihren
ganzen Charme beim Kreisschuldirektor (der war seit Jahrzehnten schaf auf sie - so würden wir Heute sagen - damals: Er verehrte sie unheimlich) ein, der dann wiederum, selbst kurz vor der
Pensionierung, eine gemeinsame Aussprache Alle anregte und den Direktor wie auch meine Klassenleiterin mit seiner Altersweisheit in die Schranken wies. Er setzte durch, dass ich das Abitur machen
durfte. Und das war ein sehr sehr schwieriges Unterfangen, dass ich jedoch Dank einen sehr guten freundes und meiner Familie meisterte. DDR-Studienlenkung begann auf der EOS. Alles wurde gesteuert
und zwar so, dass es für die jungen vor der Armee klar war, wo und wie es dann weiter ging (oder eben auch nicht).
Wir wurden hingehalten. Als Zweitwunsch stand bei mir felsenfest Architektur (in Weimar, Situation ähnlich den Journalistik-Studenplätzen), aber mit Eignungstest in der 11.Klasse für die Studengänge,
die mindestens 2 Jahre später begannen (Mädchen: 12. Klasse + 1 praktisches Jahr vor dem Studium, Jungen: 12.Klasse + 2 Monate Praktikum + min 18 Monate Armee + ca. 4 Monate Praktikum = min 3 Jahre).
Ich war eigentlich gut vorbereitet auf den möglichen Test, über Kollegen und Bekannte meines Vaters, der wie man Heute sagen würde gut "vernetzt" war. Wir warteten noch auf die sehr wahrscheinliche
Ablehnung des Jounalistik-Studiums. Die kam dann auch, nein nicht von der Uni in Leipzig, die EOS selbst hatte entschieden: Der nicht! Also schnell Architektur-Studium "beantragt". Die
Eignungsprüfungen waren immer so im Frühjahr. Anträge haben wir parallel nach Wimar geschickt (nicht üblich in der DDR, wo Alles seinen geebneten Weg ging). Irgendwann habe ich dann mal nachgefragt
und wieder gefragt, um dann von meiner Klassenleiterin zu erfahren, dass sie es schlicht und einfach vergessen hat, mir die Einladung nach Weimar auszuhändigen! Die Tests waren vorbei. Ich fehlte
also unentschuldigt, war aber zugelassen worden zum test. Telefon mit Weimar: Nein, das ist nicht zu entschuldigen, Nachtest gibt es nicht, nächstes Jahr wieder versuchen und dann eben später mit dem
Studium starten. Es gab keine Möglichkeit, diesen Weg abzuändern, fest betoniert. Okay, Studium Bauingenieurwesen ins Auge gefasst. Der Genosse Direktor grinste überaus dreckig: "Ich habe Ihnen doch
gesagt, dass er kein Abi macht! Brauch er ja auch nicht, wenn er nicht studiert." Aber nicht mit meinem Vater: Über berufliche Kontakte und das richtige Vitamin B besorgte er einen Termin an der
Technischen Hochschule Leipzig, beim Direktorat für Studienangelegenheiten. In der Tasche steckte eine Delegierung durch einen Trägerbetrieb, in dem ich mal 3 Wochen Ferienarbeit verrichtete (mein
Vater kannte bei diesem Kombinat fast Jeden und so war das Anschreiben wie eine Formsache und dadurch waren wir aus der Studenlenkung raus!). Bewerbung und Annahme waren Ruck Zuck erledigt und ich
hatte eine Perspektive, was weder meinem Direktor noch meiner Klassenlehrerin wirklich schmeckte. Das zeigten sie, konnten aber Nichts mehr machen, da meine eigenen Leistungen tadelsfrei und gut
waren und ich gelernt hatte, meine Klappe zu halten.
Studium ohne nennenswerte Störaktivitäten seitens der Obrigen bis zu jenem Tag, als mich ein Professor dazu bewegen wollte, an der TH sein Assistent zu werden und eine Dokrotarbeit zu schreiben.
Kurze Rücksprache mit dem Trägerbetrieb, ob dies denn ginge: Ja, geht, kommst eben später in die Produktion zurück. Dann die Ablehnung. Mein Professor flippte förmlich aus. Der wissenschaftliche Rat
hatte mich abgelehnt. Mein Seminargruppenberater (so hieß der Ansprechpartner für die Seminargruppe in der DDR-Zeit) war ein guter alter Doktor, kurz vor der Rente, eine Seele von Mensch, nahm mich
zur Seite, in sein Kämmerlein und fragte: "Wissen Sie warum, Sie nicht bleiben dürfen?" - "Nein, unklar, der Professor ist auch schockiert." - "Kennen Sie Ihre Kaderakte?" (Kaderakte zu DDR-Zeiten
unerlässlicher lebenslanger Begleiter, in dem Alles über die Person drin stand, sie ging von Bildungseinrichtung zu Bildungseinrichtung, von Betrieb zu Betrieb und Nicht ging verloren. Manche
Belobigung war die Entfernung eines Verweises o.ä. aus der Kaderakte.) - "Nein, woher denn. was steht denn da drin." - "Herr S., da ist ein dunkler Fleck in Ihrer Akte. Sie haben einen Bruder?" -
"Ja, aber das ist doch schon 16 Jahre zurück, Alles vergangen, Alles gebüßt." - "Steht aber noch in Ihrer Akte, Herr S.! Wenn mich jemand fragt, von mir wissen Sie Nichts. Wir haben nie miteinander
darüber gesprochen - okay?" - "Klar doch, Herr Doktor H."
Der dunkle Fleck? Mein Bruder? Logo, es war ein Staatsverbrechen, dass ich damals als 8-jähriger seinen Irrweg nicht beeinflusst habe! Man oh man, was war denn hier los??? Meinem Vater, inzwischen
schwer erkrankt, oder meinem Bruder, inzwischen 2-facher Familienvater, habe ich davon Nichts erzählt. Sie wären ausgerastet! Meiner Mutter habe ich davon bei einem Käffchen und einer Zigarette
erzählt. Ihr schossen die Tränen aus den Augen. Sie war nie Genossin, hat aber die DDR mit aufgebaut, aktiv und immer fleißig bei der Sache - Ja, es gab viele Menschen in der DDR, denen die Phantasie
fehlte, was IHR Staat da teils mit Andersdenkenden anstellte oder Angehörige, in meinem Fall Kinder in Sippenhaft nahm! Ein übles Kapitel. Mein Vater war ähnlich meiner Mutter kein Genosse, aber
"Geburtshelfer", Aufbau-Pionier der DDR, in seiner Gesellenzeit auf allen Großbaustellen der damals jungen Republik unterwegs: Bleilochtalsperre, Talsperre Wippra, Eisenhüttenstadt, Stalin-Allee
(Karl-Mark-Allee) Berlin u.s.w. Ihm habe ich nach der Wende davon erzählt, meinem Bruder, inzwischen im Westteil lebend, im November 89 über die CSSR und Bayern "geflohen". Sie wollten mir erst gar
nicht so recht glauben, bis meine Mutter an die Abi-Zeit erinnerte...
Warum? Warum bei mir? Keine Ahnung.
Meinen Antrag auf Akteneinsicht hatte ich gestellt zurück gezogen und wieder gestellt... Mal sehen, was da drin steht.
Mein Bruder hat seine Akten(Berge) gesichtet und die Sichtung abgebrochen. Schwachsinnig, was da Alles erfasst wurde! Enttäuschend, Frust erzeugend, wie einst engste Freunde und Freundinnen als IM
aktiv gegen ihn tätig waren!
Ich weiß nicht, ob ich wirklich in die Akten schauen will... Meine Träume sind vergangen, vielleicht auch besser so!
Manchmal denke ich, was wäre wenn...
Wie meine Geschichte weiterging? Mein Professor, Genosse UND Wissenschaftszweigs-Partei-Sekretär zog in den Kampf gegen den Rat und setzte sich durch: Ich dufte an der TH bleiben, begann meine
Doktorarbeit zu schreiben und dann kam die Wende: Doktor-Thema-Träger-Betrieb weg, Forschunsgelder weg, nochmaliger Neustart? Nein, ich verließ die TH und wurde in der dann neuen Republik so halbwegs
glücklich!
...wie gesagt, es war nicht Alles schlecht in der DDR, aber eben auch nicht Alles gut...
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